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Nicht alles, was von uns abfällt, ist Abfall

Verantwortlicher Autor: Lydia Budiner Berlin, 23.07.2020, 19:45 Uhr
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Es geht auch ohne - Verpackungsmüll
Es geht auch ohne - Verpackungsmüll  Bild: Lydia Budiner

Berlin [ENA] Unser Abfall - nicht alles, was wir einmal benutzt haben, wird dadurch gleich Abfall. Und vor dem Entsorgen, kommt das Sortieren,das Vermeiden oder Wiederverwenden - auf dem Flohmarkt, als Rohstoff oder als Energieträger. Abfall ist vielseitig, aber besser ist es, wenn erst gar keiner entsteht.

Fast wehmütig blicke ich auf meinen Rührstab herab – er ist aus gelblich gealtertem, ehemals weißen Plastik – aber noch voll funktionsfähig. Ein Geschenk zu unserer Hochzeit vor über 30 Jahren und seither zuverlässig im Gebrauch. Ebenfalls ein Hochzeitsgeschenk: die Töpfe – auch schon über 30 Jahre alt. Und dann ist da noch unser Schrankbett – angeschafft in unserer ersten Wohnung, in Raten bezahlt von einem kleinen Möbelhersteller, der noch Qualitätswaren herstellte. Und unsere Bücherregale – auch teilweise über 30 Jahre alt und nach über 5 Umzügen und einigen Ergänzungen über die Jahre immer noch tiptop. Aber mittlerweile sind einige der o.g. Unternehmen, die langlebige und qualitativ hochwertige Güter herstellen, nicht mehr vorhanden.

Gewinner:Unternehmen, die Produkte für den Verbrauch und nicht für den langlebigen Gebrauch entwickeln. Unternehmen wie Miele mit einem sehr guten Kundenservice mit der Lizenz zur Reparatur, statt gleich wegzuwerfen oder neu zu kaufen, hat die Herausforderungen der Wegwerfgesellschaft bis heute gemeistert. Anderen erging es nicht so gut. Nachdem „normale“ Glühbirnen nach kurzer Zeit kaputt gingen, mussten neue Leuchtkörper und Lampen her – jetzt mit LED – fest verbaut und nicht mehr austauschbar. Dabei hatte ich schon während meines Studiums gelernt – auch die alten Glühbirnen hätten mit längeren Laufzeiten produziert werden können – allein der Anreiz fehlte, weniger zu produzieren und weniger zu verkaufen – weil niemand mehr bezahlen will.

Weniger ist mehr

Verbraucher seien angeblich nicht bereit , die deutlich teureren, langlebigen Glühbirnen zu bezahlen. Heute muss man schon lange suchen, wenn man noch Lampen haben möchte, deren Leuchtkörper austauschbar sind – weil jetzt die LED so lange leben, muss dann wenigstens, wenn die mal ausgetauscht werden müssen, gleich die ganze Lampe erneuert werden. Das erinnert mich wieder an mein Studium und den Kurs in Ökodesign– schon in den 1990-er Jahren wusste man, dass Produkte auch für den langjährigen Gebrauch designbar waren – allein – der Gewinn ist höher, wenn immer wieder nachgekauft werden muss und man muss nicht in einen aufwändigen Kundenservice investieren, mit fachlich kompetenten Mitarbeitern, die reparieren statt zu entsorgen.

Viele Unternehmen konstruieren für den Verbrauch. Mit Verschleißzeiten, die kurz nach Ende der Gewährleistungsfrist liegen. Was für Zufälle. Dabei sagt schon das deutsche Kreislaufwirtschaftgesetz (KrWG: https://www.gesetze-im-internet.de/krwg/__15.html) als auch die Abfallrahmenrichtline der EU (Text finden Sie hier: https://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:02008L0098-20150731&qid=1481899084571&from=DE) das Abfallvermeidung die beste Art des „Abfallmanagement“ ist.

Das Ziel der Gesetzgebung ist es „Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und der menschlichen Gesundheit festzulegen, indem die schädlichen Auswirkungen der Erzeugung und Bewirtschaftung von Abfällen vermieden oder verringert, die Gesamtauswirkungen der Ressourcennutzung reduziert und die Effizienz der Ressourcennutzung verbessert werden.“ D.h. so wenig Ressourcen wie nötig optimal nutzen und dabei Abfälle möglichst vermeiden. Dabei unterliegt das Abfallmanagement einer klaren Hierarchie. Vor allem anderen steht die Vermeidung von Abfall.

Erst wenn eine Vermeidung nicht möglich ist, folgen dann die verschiedenen Formen der Wiederverwertung: direkt (z.B. als Secondhandprodukt) oder stofflich (z.B. von Kunststoffen, Glas oder Papier, die nach einer Behandlung einer Wiederverwertung zugeführt werden), oder energetisch ( d.h. der Abfall wird z.B. verbrannt und die entstehende Abwärme wird als Fernwärme verwendet oder zur Erzeugung von Strom wieder verwendet). An letzter Stelle der Abfallhierarchie steht die entgültige Beseitigung/Entsorgung z.B. in Form von einer Endlagerung auf einer Deponie.

Also Augen auf beim Kauf – nicht immer ist teuer wirklich langfristig teuer sein– was kostet die 30 Jahre alte Hose umgerechnet aufs Jahr? Wie hoch ist der Ressourcenverbrauch? Was kostet ein Möbelstück wirklich auf die Jahe seines Lebens gerechnet, wenn es 30 Jahre hält? Was kostet ein vermeindlich billiges T-Shirt, dass nach einer Saison nicht mehr tragbar ist, weil verfärbt, ausgeleiert, ausgeblichen? Das sollte man sich vor größeren Anschaffungen genau überlegen.

Sortieren und Recyclieren?!

Menschen sortieren in zahlreiche Tonnen und fühlen sich gut: Ich habe etwas für die Umwelt getan, loben sie sich - aber stimmt das? Für das Jahr 2020 rechnet die Deutsche Gesellschaft für Abfallwirtschaft (DGAW) mit 2,26 Millionen Tonnen zusätzlichem Hausmüll. Dabei macht der Verpackungsmüll einen großen Anteil aus. In Deutschland werden pro Kopf 226,5 kg Verpackungsmüll „erzeugt“. Das ist mehr als in vielen anderen Ländern Europas (der Durchschnitt in Europa liegt bei 173 kg). Der Plastikberg wächst und wächst und die Mülltrennung ist keine Lösung, sondern ein Teil des Problems. Menschen fühlen sich gut und tun etwas für die Umwelt indem Sie Müll erzeugen - das ist ein falscher Eindruck der zurückbleibt.

Obwohl die offizielle Recyclingquote für Plastikmüll noch relativ hoch ist ( 2016 waren es 45%, die bei Recyclingunternehmen angeliefert wurden), liegt die tatsächlich einer stofflichen Wiederverwertung zugeführte Menge an „Rezyklat“ nur bei 15,6% der Anlieferungsmenge. Bezieht man den Anteil auf die in Deutschland verarbeitete Kunststoffmenge schrumpft die Zahl weiter auf 2,8% (Quelle: Plastikatlas 2019, Böll-Stiftung/BUND). D. h. nur 2,8% der in Deutschland verarbeiteten Kunststoffe sind Recyklate. Es gibt einfach zu wenig Produkte, für die Plastik stofflich wiederverwertet wird und zu wenig Verbraucher, die diese Produkte kaufen. Besser wäre es allemal, vor dem Müll-Trennen an die Müll-Vermeidung zu denken, z.B. von Verpackungsmüll.

Verpackungsmüll kann vermieden werden, indem Obst und Gemüse lose eingekauft werden, das Fleisch frisch beim Schlachter oder z.B. Mehrweg- statt Einwegflaschen gekauft werden. Mit Mehrwegflaschen kann man obendrein einen positiven Effekt auf die CO2 Bilanz erzielen: Würden alle alkoholfreien Getränke ausschließlich in Mehrweg- statt in Einwegflaschen abgefüllt, ließen sich pro Jahr 1,5 Mio. Tonnen CO2 einsparen (trotz des Transportes der Mehrwegflaschen). Das entspricht dem CO2-Ausstoß von 900.000 Mittelklassewagen, die im Durchschnitt 13.000 km pro Jahr fahren (Quelle: Deutsche Umwelthilfe). Übrigens sind alle Einwegflaschen mit einem eindeutigen Logo gekennzeichnet – so können Sie diese beim nächsten Einkauf ausschließen.

Tatsächlich lag in den 1990-er Jahren der Mehrweganteil unter den Getränkeverpackungen in Deutschland bei mehr als 70% - aktuell sind es nur noch 43% - 44%. Anzustreben wäre ein Anteil von 70%, wie in den 1990-er Jahren - auch unserem Klima zu Liebe. Einwegflaschen müssen mit einem Logo gekennzeichnet sein – achten Sie doch beim nächsten Einkauf einmal darauf. Anbei ein Foto mit den Logos für Einweg- und Mehrwegflaschen.

Zu guter letzt..

Die beste Methode im Umgang mit Abfällen bleibt – Abfälle erst gar nicht entstehen zu lassen. Weniger ist mehr. Dazu kann jeder seinen Beitrag leisten: Politik, Wirtschaft und Verbraucher. So könnten sie abgetragene hochwertige Kleidung spenden oder im Secondhandladen verkaufen. Wenn die Bekleidung alt genug ist – dann kommt sie auch wieder in Mode. Aber alt wird Bekleidung nur, wenn die Qualität stimmt. Schuhe werden nur repariert, wenn der Tragekomfort stimmt, die Füße darin nicht misshandelt werden und die Kosten für neue Schuhe deutlich über den Reparaturkosten liegen.

Es darf nicht sein, dass Unternehmen, die langlebige und reparable Produkte verkaufen (und damit ja weniger Menge verkaufen (können), wirtschaftlich weniger erfolgreich sind, als Unternehmen, die jede Woche eine neue Wohnwelt, Küchenwelt, Modewelt etc. anbieten. Unternehmen müssen umlernen und in Lebenszyklen eines Produktes denken, zum Produkt auch Service anbieten; Verbrauchende sollten hinterfragen, ob jedes Jahr die Garderobe eine andere Farbe haben muss, das Mobiltelefon erneuert statt repariert werden muss (und die Hersteller sollten endlich aufrüstbare Mobiltelefone herstellen, die auch für Technologien der Zukunft noch aufgerüstet werden können).

Hersteller sollten verpflichtet werden, nachhaltige Produkte zu produzieren und bei Wegwerfartikeln eine Sonderabgabe zahlen, die den Artikel verteuert. Die Wertvorstellungen in der Gesellschaft sollten sich weg von mehr, größer, weiter - hin zu weniger, das Notwendige, das Passende, das Lokale, bewegen. Schlussendlich fragen Sie sich selbst: Wieviel ist ihnen ein Kleidungsstück wert? Wieviel ein Möbelstück oder ein Elektrogerät? Was wäre, wenn die Schuhe wieder zum Schuster kämen und nicht in den Müll?

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