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Landshut Leadership Forum 2022: Digitale Transformation

Verantwortlicher Autor: Hubertus C. Tuczek Landshut, 04.12.2022, 18:22 Uhr
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Eröffnung des Landshut Leadership Forums
Eröffnung des Landshut Leadership Forums   Bild: Hochschule Landshut

Landshut [ENA] „Digitale Transformation umsetzen“ war das Thema der eintägigen Konferenz an der Hochschule Landshut. Die Veränderungen um uns herum sind so schnell, dass Organisationen und die Menschen in ihnen drohen abgehängt zu werden. Hochkarätige Referenten in 4 Panels gaben Antworten auf drängende Fragen.

In seiner einleitenden Keynote stellte der Initiator des Forums, Prof. Dr. Hubertus C. Tuczek fest, dass Organisationen, um zukunftsfähig zu bleiben, fluide gestaltet werden und die Menschen ihre Kompetenzen in einem permanenten agilen Lernprozess auf dem aktuellen Stand halten müssen. Als Orientierung für diesen Transformationsprozess stellte er das an der Hochschule Landshut unter seiner wissenschaftlichen Leitung arbeitete Framework des Landshut Leadership Modells vor. Die verschiedenen Bausteine führen durch den Veränderungsprozess zu neuer Effizienz durch Digitalisierung der Prozesse und neuem Wachstum durch digitale Geschäftsmodelle. Im Zentrum des Modells steht das digitale Mindset, sozusagen als Betriebssystem der neuen Zeit.

Im ersten Panel zu „Staat und Gesellschaft“ wies Christoph Egle, Geschäftsführer des Bayerischen Instituts für digitale Transformation bidt, darauf hin, dass das im Rahmen des Online-Zugangsgesetzes OZG angestrebte Ziel, bis Ende des Jahres die wichtigsten Verwaltungsdienstleistungen digital verfügbar gemacht zu haben, nicht zu erreichen ist. Als gelernter Politikwissenschaftler erläuterte er die Komplexität der Aufgabenstellung, bei der zunächst die Prozesse neu definiert werden müssten, bevor sie dann digitalisiert werden. Dieser erfordere ein hohes Maß an Fachkompetenz für die Verwaltungsprozesse durch entsprechende Mitarbeiter sowie eine Vielzahl von IT-Spezialisten für die Programmierung. Diese Kapazitäten sind kritische Engpässe.

Ein Teilnehmer schlug daraufhin vor, 30 % der Verwaltungsangestellten durch KI zu ersetzen. Christoph Egle erinnerte daran, dass auch diese KI zunächst erstmal von jemanden trainiert werden müsse. Darüber hinaus stelle das föderale System in Deutschland eine zusätzliche Herausforderung für die Umsetzung dar. Sein zweites Thema, nämlich die Regulierung von Künstlicher Intelligenz, griff auch Dr. Andreas Liebl, Geschäftsführer von UnternehmerTUM und Leiter der Initiative Applied AI, auf. Mit seinem Team von Spezialisten war erst kürzlich in Brüssel bei einer Anhörung des entsprechenden Regulierungsentwurfes.

Ein Grundproblem bestehe darin, dass die Regulierung die Hürden für kleinere Unternehmen immer höherschraubt und so die Entwicklung von KI-Anwendungen bei Familienunternehmen zunehmend erstickt werden. Sein Ansatz wäre, kritische Applikationen auszuschließen, aber ansonsten zunächst einen Freiraum für das Experimentieren mit dieser Technologie zu lassen. Ansonsten werde die Regulierung Großkonzerne wie Google und Meta unterstützen, die dann die Algorithmen definieren und den Markt unter sich aufteilen. Die nächste Billion Euro an Marktpotenzial würde dann wiederum an uns vorbei gehen. Die Tatsache, dass die USA 65-mal so viel in die Technologie der Künstlichen Intelligenz investieren wie Deutschland, zeige die aktuellen Kräfteverhältnisse.

Wolfgang Müller-Pietralla, Leiter der Zukunftsforschung im VW-Konzern, brachte die Vision des Digital Human ins Gespräch. Er pointierte seine Aussage mit der Vorhersage, dass wir uns zukünftig in Maschinen verlieben werden. Dies werde der Fall, wenn wir unseren allerliebsten Partner digital klonen und ihn noch mit ein paar Updates perfektionieren. Dieser könne zum Beispiel als holographischer Avatar neben uns im Auto sitzen und uns nach persönlichen Vorlieben in gute Laune versetzten. Susan Lindner, Leiterin Digitalisierung bei bayern innovativ, unterstrich die Bedeutung der „Digital Responsibility“, bei der die sozialen, ökonomischen und ökologischen Wirkungen gleichermaßen berücksichtigt werden müssten.

Im zweiten Panel „Digitalisierung und Nachhaltigkeit“ erläuterte Wolrad Claudy, GF Maffei & Co. den Green Deal der Europäischen Union. Aus seiner Sicht ein Game Changer und eine große Chance für Europa und die Nachhaltigkeit. Ganz so optimistisch war Christian Mohr, CCO UnternehmerTUM, dabei noch nicht. Er sieht noch handwerkliche Fehler bei der Umsetzung und eine hohe Belastung von Familienunternehmen, die sehr knappe Ressourcen hätten. Darüber hinaus wusste er zu berichten, dass von 600.000 anstehenden Unternehmensübergaben in den nächsten Jahren nur etwa die Hälfte aktuell einen Nachfolger in Aussicht hätten. Das bedeutet eine riesige Herausforderung, da Familienunternehmen die Hälfte aller Arbeitsplätze in Deutschland stellten.

Der Startup-Unternehmer Michael Detke, Zentur.io beschrieb seinen Ansatz, den Energieverbrauch per App in Echtzeit zu verfolgen und so die Verbräuche deutlich zu senken. Wolfgang Müller-Pietralla von Volkswagen wies auf die Komplexität und die gewaltige Herausforderung der Neuausrichtung zur Reduzierung der Klimaerwärmung hin. Um hier in einem vernünftigen Korridor der Temperaturerhöhung zu verbleiben, benötige man aus seiner Sicht auch die Technologie des Carbon Capture, die dann aber die Dimension der heutigen Raffinerie-Industrie annehmen müsse.

Im dritten Panel ging es um die Digitalisierung der Prozesse. Franz Menzl, CTO Factory Automation, Siemens Digital Industries, zeigte auf, wie es in dem Werk Amberg mittels Digitalisierung gelungen ist, den Output seit 1991 um den Faktor 16 zu steigern ohne Flächen und Personal wesentlich zu verändern und dabei gleichzeitig eine Qualität von 99,999% zu erreichen. Die nächsten Potenziale entständen durch die Vorhersage von Prozessergebnissen mittels Künstlicher Intelligenz und entsprechenden proaktiven Prozesseingriffen. Dr. Till Klein von der Applied AI Initiative, UnternehmerTUM wusste von Erfolgen durch den Einsatz von KI zu berichten, wie z. B. durch Routenoptimierung und Fahrereinsatzplanung bei Berlin Recycling.

Dr. Stefan Blöchl, Mitgründer IFOX Systems, erläuterte seine Entwicklung eines Fitnesstrackers für Unternehmen, der Verschwendung in den Prozessen als Euro-Betrag auswirft. Die Basis seiner Analysen ist die Lean-Philosophie, dessen Anwendung er unbedingt vor der Digitalisierung von Prozessen empfiehlt. Mit dem Pragmatismus des jungen Unternehmers führte er aus, dass man mit den Daten beginnen solle, die man verfügbar habe. So könne man sofort anfangen und erste Erfolge ernten.

Ein andere Perspektive brachte Markus Bönisch, CIO der Evangelisch-Lutherischen Kirche, ein. Aufgrund der dezentralen Struktur von Bayerns zweitgrößtem Arbeitgeber müsse er 1500 Kirchengemeinden überzeugen, sich seiner Digitalisierungsinitiative anzuschließen. Dazu gehöre auch eine neue Form der „Kundenbegeisterung“, insbesondere für die junge Generation. Die Frage aus dem Publikum, ob das Vorhaben auch digitale Seelsorge-Bots einschließe, verneinte er. Dr. Till Klein wusste in diesem Kontext zu berichten, dass Wellbeing-Apps ihm auf der Bits&Pretzels Konferenz im Spätsommer in München bei einem Startup Pitch begegnet seien.

Im vierten Panel ging es um digitale Kollaboration und agiles Lernen. Harald Schirmer, Leiter Digitale Transformation bei Continental, konnte aufzeigen, dass Feedback-Prozesse mit 180.000 Mitarbeitern in der digitalen Welt möglich sind. Er plädierte dafür, diese enormen Potenziale der Diversität zu nutzen, da man so in ganz neue Dimensionen der Kollaboration einsteigen könne. Dr. Frank Edelkraut erweiterte den Aspekt mit dem agilen Lernen, dass jedem Einzelnen erlaube, seinen Lernfortschritt selber und für sich passend zu organisieren. Dr. Leopold von Schlenk-Barnsdorf, FamilienunternehmerTUM unterstützte diese Notwendigkeit aus Sicht der Familienunternehmen.

Rafael Gielgen, Trendscout bei Vitra, sieht die Welt des New Work sich noch viel radikaler verändern. Mit Augmented Reality sieht er ganz neue Möglichkeiten der Wahrnehmungen und Erfahrungen ins Arbeitsleben Einzug halten, die unsere Kreativität zu ungeahnten Höhen entfalten. Damit ging ein Feuerwerk der Impulse zu Chancen in der Digitalen Transformation zu Ende, für die es noch einige Zeit braucht, um alles zu verarbeiten.

Moderiert wurden die Panels von Manuela Mackert, ankura, Prof. Dr. Sandra Gronover, Hochschule Landshut, Prof. Dr. Rafaela Kraus, Hochschule der Bundeswehr und Christiane Wagner, Deloitte (auf dem Bild von links). Mit ihren engagierten und fachkompetenten Engagements ermöglichten sie die angeregten und vielseitigen Diskussionen. FAZIT: Wenn wir in Europa in der sehr hohen internationalen Dynamik der Entwicklung von neuen Technologien und ihren Anwendungen mitgestalten wollen, müssen wir uns bewegen – und zwar mutig und entschlossen. Weitere Infos unter: www.haw-landshut.de/landshut-leadership

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